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AutorenbildDie Jagdgöttin

'Quo-nline vadis Schule'.

Aktualisiert: 13. Okt. 2020

Mein jüngster bester Freund und Schüler (10 Jahre, fast 11) der 5. Klasse - paukt seit Start der Quarantäne fleissig zu Hause. Er ärgert sich seit Wochen über das fehlende Online-Angebote seines Gymnasiums. Mein Fazit: "Corona, Dank Dir strengt es jetzt an, aber es geht online schulisch voran". Deutschland im kräftezehrenden digitalen Aufholkurs an Schulen. Ein persönliches Blitzlicht mit Ausblick.

"Das habt selbst ihr noch nicht erlebt", resümiert mein jüngster bester Freund im Gespräch über sein aktuelles Leben als Schüler in der Quarantäne, mit Blick auf meine Generation und mich. Fast scheint mir, als würde er uns Erwachsene die ungenügenden Voraussetzungen zur Digitalisierung seines Unterrichts verzeihen, wenn seine Schule nur bald wieder ihren Normalbetrieb aufnähme oder man endlich mit einem überzeugenden Online-Angebot aufwartete. "Du sagst es, das haben selbst wir noch nicht erlebt und mich beschleicht das Gefühl, wir waren in Deutschland nicht ausreichend gut darauf vorbereitet", antworte ich.

Auch die Mütter in meinem Team erzählen von analogen, per Post zugesendetem Unterrichtsmaterial, das kaum zu bewältigen sei, als ob die Lehrer es ihnen heimzahlen wollten und aufzeigen wie es sich anfühlt Stoff durchpauken zu müssen.


Ich frage mich, kann das wirklich sein, dass ein renommiertes Gymnasium in München so schlecht hinsichtlich neuer Technologien ausgestattet ist und, dass wir versuchen, den analogen Unterricht in die Wohnzimmer der Eltern zu werfen und ohne Anerkennung der veränderten Rahmenbedingungen mit preussischer Disziplin Kinder und Eltern durch 12-14 Stunden Tage treiben? Ich frage mich, was ich von der Situation 'Schule' in diesen Zeiten halten möchte - als Führungskraft von Eltern, als Leitung einer Trainings Akademie eines Konzerns, die mich Parallelen zum Schulbetrieb erkennen lässt und als große innige Freundin des Sohnes meines Mannes. Ich habe nachgefragt und nachgelesen.


"Andere Schulen bieten viel mehr, ich bin enttäuscht von meiner Schule."

Mein bester jüngster Freund - Schüler (10 Jahre, fast 11)


Die Jagdgöttin: "Wie geht es Dir aktuell?"

Schüler: "Am Anfang fand ich es noch cool. Aber das ist lange vorbei. Ich habe mir die Schule selbst ausgesucht und dachte ich bin an einer richtig tollen Schule. Nun bin ich enttäuscht. Andere Schulen bieten viel mehr online Programme, die Lehrer sind engagierter. Alles wirkt irgendwie unsäglich chaotisch.

Ich lerne normalerweise 5-6 Stunden pro Tag, jetzt teilweise sehr viel mehr mit meiner Mami aufgrund des vielen Stoffes. Es fordert uns sehr mit all den Blättern und teilweise unklaren Angaben klar zu kommen. Ich bin ein guter Schüler. Wie es anderen geht, die nicht so viel Unterstützung zu Hause bekommen, keine Ahnung! In Bayern starten jetzt die Abschlussklassen und stufenweise weitere Klassen. Was mit uns 5. Klässlern genau passiert ist zumindest mir noch unklar."


Die Jagdgöttin: "Was würdest Du dir konkret von deiner Schule wünschen?"

Schüler: "Ich finde es müsste mehr Online Unterricht, Videos und Tutorials (!) geben. Ich verstehe, dass das Zeit dauert, alles zu entwickeln, aber bei uns habe ich das Gefühl war erst mal Stillstand. Nichts ist passiert. Was tun denn die Lehrer gerade? Aktuell macht alles meine Mami. Die sollte das Geld für den Unterricht erhalten."


Die Jagdgöttin: "Denken Deine Freunde ähnlich oder anders?"

Schüler: "Denen geht es genauso! Viele denken ähnlich. Die meisten sind an derselben Schule. Ich weiß von anderen Schulen, die bereits seit Wochen per Skype richtigen Unterricht haben."


Die Jagdgöttin: Und was tust Du persönlich, um etwas an der Situation zu ändern?

Schüler: "Ich spreche mit meiner Mami darüber und, die hat sich bereits mit dem Elternbeirat in Verbindung gesetzt und sich eingebracht. Wie viele andere Eltern. Der Elternbeirat ist meiner Meinung nach noch zu wenig engagiert. Die Kommunikation ist nicht genug. Der Elternbeirat fühlt sich angegriffen und die Lehrer finden bisher immer Ausreden, ist mein Gefühl, warum nichts so richtig vorwärts geht."


Die Jagdgöttin: "Welche Ausreden finden sie?"

Schüler: "Erst hieß es, sie könnten keinen Online-Unterricht anbieten wegen Datenschutz und SKYPE, jetzt haben wir Microsoft Teams, das Argument gilt also jetzt nicht mehr. Dann hieß es, nicht alle Schüler hätten die technischen Voraussetzungen. Das stimmt auch nicht, wir haben alle Geräte. Ausserdem könnten wir spenden für jemanden, der kein Gerät hat. In den letzten Calls haben sie nur die Technik erklärt, aber nicht unterrichtet. Und das Kultusministerium hat kürzlich doch entschieden, dass Unterrichtspflicht herrscht. Ich will unterrichtet werden."


Die Jagdgöttin: "Was könntest Du jetzt konkret noch tun, um die Situation weiter in die Richtung zu ändern, die Du Dir wünschst?"

Schüler: "Ich werde abwarten, was in den nächsten Calls passiert und dann meine Wünsche klar äußern."

Die Jagdgöttin: Danke für das Interview.


Zwischenfazit: Mangelnde Initiative, viele Ausreden


"Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen."

Eine Lehrerin (Deutsch, Mitte 30)

In einem Interview mit der Bild Zeitung teilt eine Lehrerin und Bloggerin (Frau Bachmayer packt aus! Die unzensierte Lehrerwahrheit) mit wie sie sich fühlt und was sie beobachtet, seitdem sie und die Abschlussklassen zurück an den Schulen sind.

Sie berichtet von Schülern, die ihr erzählten, sich auch während der Ausgangssperre getroffen zu haben, die Abstände nun an der Schule nicht einhielten, von fehlenden Hygienemitteln und -maßnahmen, von Lerndefiziten, die nicht aufzuholen seien und von mangelnden Lehrkräften, die aus Angst vor Ansteckung erst gar nicht in die Schule kämen qua Attest. Am Ende ein Fazit: Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen des Staates. Ob es die Meinung des Autors oder die Aussage der Lehrerin ist, bleibt unklar. Genau so unklar, wie es konkret weitergeht.


Zwischenfazit: Mangelnde Kommunikation,

nicht adressierte Ängste und Erwartungen


"Sorge um die mentale Gesundheit der Schüler, um den Umgang mit Lernmotivation, sozialen und akademischen Herausforderungen und die Benotung"

Drei weitere Lehrerinnen (Europäisch, Alter unbekannt)

In einem Interview mit dem Unternehmen IST erläutern Katharina, Louise und Liv Elisabeth ebenfalls wie sich ihr Alltag als Lehrerinnen aktuell gestaltet. Sie berichten von etablierten Ansätzen in Dänemark und ersten schnellen Lösungen oder guten Schritten in Norwegen und in Deutschland. Klar erkennbar sind aber die Unterschiede im Europäischen Vergleich und wie digital abgehängt und analog Bildung in Deutschland bisher erfolgt. Sie betonen, dass es nicht nur um reine Lerninhalte ginge, sondern auch und vor allem um die mentale Gesundheit der Kinder. Zu Hause seien die Bedingungen andere. Es sei schwerer sich zu motivieren. Schließlich hätten Sie noch keine Antwort auf die Frage der Benotung.

Mein jüngster bester Freund kommentierte das Thema informiert und rechtssicher: "Die Noten sind sowieso anfechtbar."


Zwischenfazit: Deutschland steckt in den digitalen Kinderschuhen!

Neue Fragestellungen suchen nach lösbaren Antworten.


"Die Herausforderungen sind seit langem bekannt. Dank Corona müssen wir jetzt handeln. Unvorbereitet Lösungen schaffen zu müssen, erfordert Fokus und Pragmatismus, keine Perfektion."

Die Herausforderungen im Überblick


Fehlende oder unzureichende räumliche und technologische Ausstattung (Server Kapazität, Hard- und Software, Drucker, Rechner) oder mangelhaftes Wissen im Umgang mit Plattformen und Software, unzureichende Anleitung, vielleicht auch fehlender Wille zur Veränderung, überhöhte Erwartungen angesichts des hohen Aufholbedarfes, Überforderung und Ängste der Beteiligten Schulen, Lehrer und Eltern und unzureichende Kommunikation führen zu viel manchmal unnötiger Kritik am bestehenden System und am geplanten Vorgehen.

Die schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht stellt viele RektorInnen vor neue enorme Herausforderungen angesichts des Lehrauftrages, der Hygieneerfordernisse und Sicherheitsmaßnahmen, welche umzusetzen und es einzuhalten gilt. Eine bundesweit unterstützte Vorgehensweise im Umgang mit Onlinemodellen ist durch den Föderalismus erschwert, obwohl nun ein einheitliches Vorgehen sinnvoll wäre. Dort, wo man bisher um Begegnungseinrichtung kämpfte, schafft man nun Distanzlösungen. Im Schichtmodell sollen Klassen unterrichtet werden. Viele Schüler, Lehrer, Eltern sind trotz der Bemühungen unzufrieden.


Doch ein sich Aufregen und Beschweren über verbliebene Mängel bringt niemanden wirklich weiter. Es geht darum zu sehen, was jetzt wirklich wichtig ist und die angesichts der mangelhaften digitalen Ausgangslage in Deutschland, nun guten, vielleicht nicht perfekten Lösungen wert zu schätzen und weiter gemeinsam an einem Aufholkurs und der Optimierung zu arbeiten. In solchen Situationen sollten wir akzeptieren, dass ein gewisser Frust normal ist, uns über Erreichtes freuen und überlegen, von wem wir lernen können und wer dabei helfen kann weitere Lösungen zu erarbeiten und umzusetzen.


Was haben wir also bereits erreicht?


1. Gut überbrückt: Viele Eltern und Kinder meistern 'Home Schooling' seit Start der Quarantäne, mit enormem Einsatz. Aber sie meistern es. Toll gemacht!

2. Ein Anfang ist gemacht: Einige Schulen erweitern ihre Server Kapazitäten. Viele Lehrer engagierten sich an vielen Schulen bundesweit mit Unterricht per Video, mit Unterstützung durch kreative Botschaften, um den Zusammenhalt zu fördern, mit Sprechstunden, mit Lehrmaterial. An alle, die es tun: famos! An alle anderen: Was hindert euch daran? Ist es wirklich nicht lösbar?

3. Fokus auf das Wichtigste: Die Bundesländer gestalten Rahmenbedingungen, meist bestehend aus einem Plan für den Ramp-Up des Unterrichts und Hygieneregeln. Sie bleiben dabei fokussiert auf das Wichtigste: Der Schutz der Schüler vor Ansteckung mit Covid-19 und prüfungskritische Klassen haben Priorität. Weiter so und mit transparenter Kommunikation über den nächsten Schritt Vertrauen schaffen. Besser ein ehrliches 'wir arbeiten daran', als ein Vakuum des Schweigens.

4. Schnell Umsetzung - 80/20: Rektorinnen und Rektoren haben gemeinsam mit Lehrerkollegien und Elternbeiräten den Ramp-Up ausgestaltet, sich zur eigenen Raumsituation Gedanken gemacht, und Schichtmodelle eingeführt, für Hygienemaßnahmen und -mittel gesorgt. 80% sind gelöst, motzen wir nicht über die 20% fehlenden Perfektionismus, fehlendes flächendeckendes Desinfiziermittel, wenn Seife vorhanden ist und gründliches Händewaschen bekanntlich wirkt.

5. Initiative: Organisationen wie die BITKOM.org, die sich als Vertretung von >2.500 IT Unternehmen in Deutschland die digitale Weiterentwicklung Deutschlands zur Aufgabe macht, legt konkrete Maßnahmenkataloge inklusive Business Case vor. Sie investierten die finanziellen mittel in Hardware, IT Administration und die Anwenderausbildung.


Was können wir noch tun?


1. Pulse check: Schüler/Eltern und Lehrer fragen, was sie jetzt wirklich brauchen und, was sie beitragen können.

2. Von anderen lernen: Wir können von anderen Schulen oder Ländern, die bereits erfolgreich Dinge ausprobiert oder wichtige Fehler gemacht haben lernen. Ein Beispiel ist die Bavarian International School (BIS) oder Länder (link) wie Estland oder Dänemark. Hier bietet bereits jede Schule eine digitale Lernplattform (Vgl. D: 4%) und 91% der Schüler nutzen täglich online Lernplattformen (Vgl. D: 14%). Auch Großkonzerne bieten wichtige Erfahrungen im Umgang mit Technologien, ihrer Eignung für Lerninhalte und Training über Distanz.

3. Finanzielle Förderung und Initiative: Viele mögen nun denken, sicherlich, wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, ist das alles möglich. Warum bis dahin warten? Mein Arbeitsalltag lehrt mich oft: Budget ist gut, aber bei Weitem nicht immer wichtig, um zu manchmal so gar besseren Lösungen zu kommen. Warum nicht über kostenlose Cloud Lösungen Interimsangebote schaffen, die dann abgelöst werden können, wenn eine bessere Lösung erarbeitet wurde. Viele Firmen haben Non-Profit Programme und ggf. sogar abgeschriebene ausrangierte Laptops. Bis auf Weiteres stehen viele kompetente, kurzarbeitende Mitarbeiter mit hervorragendem Wissen zur Verfügung. Sie könnten Projekte managen, IT-Lösungen programmieren, Home Schooling unterstützen, Anwender in Softwarelösungen schulen.

4. Interdisziplinär: Warum lösen wir die Herausforderung an Schulen nicht noch stärker interdisziplinär über Industrien hinweg und gemeinsam? Ist es eine Logistik Herausforderung, Angebot und Nachfrage zusammen zu bringen? Oder scheitert es an der nötigen Initiative? Ich kenne betroffene Schüler, Eltern und Lehrer, die ihre Bedürfnisse sicherlich gerne und gut artikulieren. Aber es braucht Menschen, die die Sache in die Hand nehmen, sortieren und die Kernprobleme identifizieren. Scheitert es am Geld, muss man sich um Spenden kümmern oder Crowd Funding organisieren.

Oder wie mein jüngster bester Freunde sagt: "Warum den Löwenteil einer Klasse nicht online unterrichten mit dem Argument der Bedürftigkeit einzelner Schüler oder Familien, die kein Laptop hätten? Dann muss man eben eins organisieren."


Ausblick: Ich bin keine Lehrerin, aber als Führungskraft in einem Krisenstab kann ich beurteilen wie man Notfallpläne entwickelt und kurzfristige Maßnahmen für Mitarbeiter zur Verfügung stellt. Aktuell passiert viel Gutes in diese Richtung, ggf. noch etwas zu 'deutsch'.

Genießen wir doch den digitalen Schub, der ohne Corona in dieser Wucht nie gekommen wäre. Es erfordert zudem nicht immer gleich viel Geld in Krisen erfolgreich zu sein, aber vor allem eine gute transparente Kommunikation, eine pragmatische Befähigung der Beteiligten, Mut zu beherzten Entscheidungen, die nicht immer einfach zu finden sind. Im Schüler Jargon: Mut zur Lücke! Dafür sollten wir den deutschen Planungsperfektionismus über Bord werfen und uns trauen mehr auszuprobieren und im zweiten Schritt nachbessern.

Wir dürfen die Berührungsängste oder Ungelenkigkeit im Umgang mit Technologie nicht zum Problem der Schüler machen und sollten alles daran setzen mittelfristig die Ressourcen bereit zu stellen, die nun erforderlich sind, Bildung neu zu definieren. Es ist eine große Chance, gerade für Deutschland sich zu diesem Thema nun endlich erfolgreich zu positionieren und vor allem aufzuholen.

Die stufenweise Öffnung der Schulen ab Ende April bzw. Anfang Mai 2020 in Deutschland für Präsenzunterricht ist ein Anfang, teilweise Eltern wieder zu entlasten. Der Vorlauf wird reichen, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich Hygiene und Sicherheit zu treffen. Es wird zudem bereits an den Modellen für den Vollbetrieb gearbeitet, laut Heinz-Peter Meidinger im Interview mit dem Deutschlandfunk, 14. April 2020 (Präsident des Deutschen Lehrerverbandes und Schulleiter des Robert-Koch-Gymnasiums im bayerischen Deggendorf).


Bleiben Sie gesund!


Die Jagdgöttin


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