Entweder Versicherungsberater werden jetzt in Corona Zeiten mangels kulturellem Angebot zu Alleinunterhaltern umgeschult, professionelle Kundenberatung verkommt, oder ich werde alt.
Heute leitete mir eine Freundin die Antwort eines Kundenberaters einer großen Versicherung auf ihre Anfrage zu einer Police weiter. Ich habe mich nun von meinem Lachanfall, der in einer Art Verwunderung hängen blieb, zwischenzeitlich erholt und kann nicht anders als darüber zu schreiben.
"Sehr geehrter Herr..."
eigentlich las sich die kurze sachliche Anfrage in fünf knappen Sätzen an die Kundenbetreuung des alt ehrwürdigen Versicherungsbetriebes bezüglich einer Versicherungspolice nüchtern. So, dass man nach dem klassischen Startschuss im Anschreiben mit dem üblichen "Sehr geehrter Herr..." und genannten 5 Sätzen, in hoffnungsvoller Erwartung auf eine ebenso trockene sachliche Antwort war, die mit einem maximal zwei Aussagesätzen klarkäme. Irgendetwas hoffte auf das übliche "Sehr geehrte Frau..." in der Anrede der Rückantwort und während man beim Gedanken an den Versicherungskonzern eher den Staub von den Akten pusten wollte, der sich seit Gründung im 19. Jahrhundert bis heute angesammelt hatte, freute man sich über Email als Kommunikationsmittel und darüber, dass zumindest dieser kleine Vorbote digitaler Zukunften Eingang in den deutschen Versicherungskonzern gehalten hatte.
"Hallöchen, ..."
Aber Hubert (Anmerkung Redaktion: alle Namen wurden geändert) vom Kundenservice hat es sich anders überlegt. Und so schmetterte er aus seinem Büro des renommierten Versicherungskonzernes - ich nehme an, zuversichtlich, dass die nächste Beförderung so gut wie sicher ist, "ganz nah am Kunden" ein joviales:
Hallöchen,...
finde bei Dir nur...xy Versicherung...im System, ist die andere Versicherung überhaupt noch aktuell?
Wir könnten auf die xy Versicherung 20% Rabatt geben, wenn Sie die Haftpflicht,Hausrat,Unfall etc. zu uns kommen würden.
Ist das für die interessant?
Liebe Grüße
HUBER
Da möchte man doch zurückschreiben. "Ja spitze, das freut mich sehr Hubert, wenn du mich gleich duzt und mir mitteilst, dass du keinen Plan noch "Peil" hast bzgl. meiner Versicherung. Dafür beziehst du mich ein in die Fragen, die du Dir selbst stellst. Dein Verkaufstalent ist sagenhaft. Die Betonung liegt auf 'Sagen'. Schade, dass wir auch mit vereinten Kräften nun meine Frage nicht beantwortet bekommen, du mir aber 20% auf eine neue Versicherung gibst, damit Deine Jahresprovision noch etwas besser ausfällt und dabei gleich so 'wuschig' wirst, dass du die Leerzeichen im Satz vergisst. Danke auch, dass du hierfür schnell zum Sie wechselst, das vermittelt kurzfristig ein bisschen Seriosität und steigert meine Zusagewahrscheinlichkeit um -0,005%. Du Tausendsasser, dann gleich wieder zum Du, ich denke es hätte ein 'dich' werden sollen, fiel aber dann aufgrund der Autokorrektur auf deinem I-Phone, von dem du deine Antwort wahrscheinlich kurz rausgepfeffert hast, doch als ein 'die' aus. Das Gute ist, wir alle kennen das Problem. Mach dir nichts draus, ich bin ja auch nur ein Mensch, heute halt blöder Weise dein Kunde. Ich fühle mich seltsam. Ist das ein Trick, willst du mich unterhalten. Das ist aber nett.
Hubert, das 'liebe Grüße' zum Abschluss hatte wirklich Potential die geballte Unprofessionalität mit Sympathie zu deckeln. Fast hätte ich Dir abgekauft, du seist noch in der Ausbildung und einfach noch nicht ausreichend geschult. Man möchte dir fast verzeihen, doch dann stellt dir der Amtsschimmel in Form Deines Nachnamens "Liebe Grüße, HUBER" ein Bein und das ganze Antwortschreiben erstickt doch noch im Staub der Jahrhunderte.
Meine Freundin und ich haben uns köstlich amüsiert, aber ich glaube Du musst das nochmal üben oder dich vielleicht einfach hinsetzen und Dir Zeit nehmen, auf ihre Frage konkret zu antworten. Und falls das euer neuer Standard ist, dann glaube ich sehe ich für das nächste Quartalsergebnis eine eher abnehmende Kurve beim Direktverkauf.
Die Jagdgöttin
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